Für Trans*idente Asylantragsteller_innen wurde in der Vergangenheit die so genannte Diskretions-Erfordernis angewendet. Trans*Menschen, die aus ihrem Ursprungsland geflohen sind, soll es dieser Argumentation zufolge möglich sein, sich „unauffällig“ zu kleiden und sich „im privaten Bereich“ zu bewegen (de Silva/ Quirling 2005: 74). Diese Forderung ist oft mit der Erwartung verbunden, dass Trans* sowie auch LGB-Flüchtlinge innerhalb des Herkunftslandes sicher wären, wenn sie sich „diskret“ verhalten, d.h. ihre geschlechtliche Identität bzw. sexuelle Orientierung im privaten Rahmen ausleben würden (Vgl. ebd.: 74f.). Die Aufforderung der Asylsuchenden mit Trans*Identität, sich in ihrem Herkunftsland „diskret“ zu verhalten, um Diskriminierung und Gewalt seitens des erweiterten Umfeldes und des Staates zu vermeiden, wurde in der BRD in den vergangenen Jahren als Begründung zur Ablehnung der Gewährung von Asyl benutzt. In anderen europäischen Staaten findet diese Praxis im Asylverfahren nach wie vor statt. (Vgl. Jansen/Spijkerboer 2011: 39)
Diese Erfordernis missachtet oder verstärkt sogar die prekäre Lebensrealität von Trans*Menschen in vielen Regionen der Welt, die sich gezwungen sehen, ihre geschlechtliche Identität zu verheimlichen. Oft sind sie durch die Furcht motiviert, durch ihre Familienangehörige, Freunde, Nachbarn, die Gesellschaft allgemein oder staatliche Autoritäten entdeckt und denunziert zu werden. Die Formen als Reaktion auf die Entdeckung sind vielfältig und reichen von Missbrauch, Diskriminierung, Zwangsheirat und Folter bis zu Mord.
Diese Argumentation bestreitet, dass geschlechtliche Identität ein zu bedeutsamer Teil für die Identität eines Menschen ist, als dass sie verleugnet werden könnte, so wie es auch Artikel 10 Qualifikationslinie definiert. Aus diesem Grund hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von dieser Praxis abgesehen.