In der Vergangenheit wurde der Entscheidungsspielraum der Sachbearbeiter_innen im Bezug auf die Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Trans*Flüchtlingen ausgeweitet. Die Kriterien, an denen sich Entscheidungsträger orientieren, sind zum Teil explizit, zum Teil implizit an der bisherigen Handhabung abzulesen. Der Rahmen, in dem sich Flüchtlinge unter Beweis stellen müssen, ist eine Anhörung der/des Asylbewerber_in durch eine_n Mitarbeiter_in des BAMF nach §25 AsylVfG. Diese findet in der Regel einige Tage nach der Ankunft in der BRD statt, wird von einem/einer Dolmetscher_in begleitet und strukturiert sich nach einem strikten Leitfaden.
Explizite Kriterien
Laut dem BAMF ist die Glaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte „erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum“ (BAMF 2012: 2).
„Die Glaubhaftmachung der behaupteten Verfolgung setzt, entsprechend der Mitwirkungspflicht im Asylverfahren, einen schlüssigen Sachvortrag voraus, d.h., unter Angaben genauer Einzelheiten muss der Ausländer einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung und verständiger Würdigung die Gefahr politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt. Hierzu gehört die lückenlose Schilderung der in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere der persönlichen Erlebnisse (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989, NVwZ-RR 1990, 379, 9 B 405.89 und Urteil vom 10.05.1994, NVwZ 1994, 1123, 9 C 434.93).“ (BAMF 2012: 2)
Als ein Hinweis für die Glaubwürdigkeit der LGBTI-Identität wird weiterhin die Kenntnis der LGBTI-Szene und -Orte gewertet.
Implizite Kriterien
Darüber hinaus spielen unausgesprochene, implizite Kriterien bei der Glaubwürdigkeitsfrage eine Rolle. Seien es das Erscheinungsbild und das passing (also die individuelle Strategie, nicht als Trans* gelesen zu werden), die dem stereotypen (eurozentristischen) Bild einer Trans*Frau beziehungsweise einem Trans*Mann gegenüber gestellt werden.
Auch der Zeitpunkt und der Prozess des coming out sowie das Stadium der Transition beeinflussen den Asylentscheid. So erscheinen Trans*Asylsuchende als glaubwürdig, wenn ihre Verwandte, Freund_innen und Kolleg_innen von ihrer Trans*Identität wissen, wenn sie bereits Namens- oder Geschlechtsumwandlung vorgenommen haben, ohne mit einzubeziehen, dass Trans*Flüchtlinge in ihrem Herkunftsland diese Möglichkeiten sozial, rechtlich und/oder medizinisch erst gar nicht haben (Vgl. Bach 2013: 34).
Dabei wird davon ausgegangen, dass die Trans*Person bereits im Prozess der Geschlechtsumwandlung sein muss. Diese Voraussetzung leugnet nicht nur die Realitäten der Herkunftsländer der Asylsuchenden, sondern auch diejenigen trans*Positionierungen, die eine Geschlechtsumwandlung nicht anvisieren (Vgl. Bach 2013: 34).